Anfang der 60er Jahre konnten sich Wassersportfreunde zwischen einem Segelboot mit feststehendem Mast plus Ruder und einem Board zum Wellenreiten entscheiden. Das Windsurfboard, das letztlich beide Sportarten in innovativer Weise verknüpft hat, war noch unbekannt.
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Dabei hatte der US-Amerikaner Newman Darby, der als ein Pionier des Windsurfens betrachtet werden muss, bereits 1948 den Gedanken an ein Boot, das auf ein Ruder verzichtet. Stattdessen sollte das Boot durch ein handbetätigtes Segel gesteuert werden können. Dies setzte er zunächst bei einem Katamaran um, also einem Zweirumpfboot. Der Segler sollte auf dem Katamaran stehend das Segel von Hand bewegen, um das Boot zu steuern. Der Steuerbarkeit waren wegen der starren Befestigung des Segelmastes jedoch enge Grenzen gesetzt, so dass ihm – Erzählungen zu Folge – bereits damals der Gedanke an eine gelenkige Anordnung des Segelmastes an dem Bootskörper gekommen sein soll.
Erst einige Jahre später, nachdem Darby auch das Wellenreiten erlernt hatte, ging die Entwicklung einen Schritt weiter. Er entwickelte das „Darby Sailboard“. Dieses sollte keinen Bootsrumpf mehr aufweisen, sondern ein relativ breites Board und ein handgehaltenes Segel. Das Segel ähnelte dabei einem überdimensionalen Kinderdrachen mit einem Kreuz als Gestell, das auf einer Seite mit dem drachenförmigen Segeltuch bespannt war. Dabei stand dieser Drachen kopfüber auf dem Board, so dass die Längsstrebe als Mast und die Querstrebe als Haltegriff fungierte. Ursprünglich sollte der Surfer noch mit dem Rücken zum Segel stehen und mit nach hinten gerichteten Armen die Querstrebe halten. Auf diese Weise wurde man von hinten durch den Wind angetrieben und hatte freie Sicht nach vorne. Von einer Testfahrt des „Darby Sailboards“ aus dem Jahr 1965 gibt es Filmaufnahmen, die noch heute auf YouTube zu sehen sind:
Das entscheidende Merkmal des „Darby Sailboards“ war jedoch die gelenkige Abstützung des Mastendes am Board, so dass der Mast in alle Richtungen geneigt und um die eigene Achse gedreht werden konnte. Hierdurch war eine einfache, ruderlose Steuerung erreicht. Ursprünglich steckte dass Mastende dabei lediglich in einer Mulde im Board, ohne daran befestigt zu sein, später erfolgte eine Befestigung über eine Nylonschnur. Im selben Jahr erschien auch ein erster Artikel über die neue Sportart und eine kleine Produktion wurde gestartet, die aber letztlich keinen wirtschaftlichen Erfolg brachte und wieder eingestellt wurde. Die ursprüngliche Idee einer Anmeldung zum Patent wurde nicht weiterverfolgt.
Fragt man heutzutage einen Surfer, wer das Windsurfen bzw. das Windsurfboard erfunden hat, so wird in der Regel nicht Newman Darby, sondern der Kalifornier James Drake genannt. Dies dürfte daran liegen, dass James Drake und dessen damaliger Freund Hoyle Schweitzer die ersten waren, die im Jahr 1968 ein Patent auf ein windgetriebenes Fahrzeug, den sogenannten Windsurfer, angemeldet hatten. Es folgten ferner Auslandsnachanmeldungen unter Inanspruchnahme der Priorität in weiteren Ländern, unter anderem in Deutschland.
Sieht man sich die Figuren der deutschen Offenlegungsschrift dieser Patentanmeldung an, so erinnert der Windsurfer schon sehr stark an die grundlegende Bauform heutiger Windsurfboards. Neben der gelenkigen Anordnung des Mastes am Board, hier durch ein Kardangelenk, erfand James Drake nämlich auch den Gabelbaum, innerhalb dessen das dreieckige Segeltuch gespannt ist, so dass das Segel von beiden Seiten ergriffen werden kann. Selbst an die Aufholleine wurde bereits gedacht, ein unverzichtbares Utensil für Anfänger. Auch die ersten Testfahrten aus dem Jahr 1969 wurden filmisch festgehalten:
Überraschend war, dass der von der Patentanmeldung angestrebte Schutzbereich nicht etwa auf das Kardangelenk beschränkt, sondern sehr allgemein auf eine gelenkige Anordnung des Mastendes am Board gerichtet war, und darauf tatsächlich Patente erteilt wurden. Schließlich schien dieser Gedanke bereits durch die Veröffentlichungen zum „Darby Sailboard“ neuheitsschädlich vorweggenommen. So konnte in einigen Ländern zunächst ein Patent mit extrem breitem Schutzumfang erzielt werden. Allerdings wurde dies später durch entsprechende Beschränkungsverfahren korrigiert, in denen teilweise auch das „Darby Sailboard“ als Stand der Technik zitiert wurde. Immerhin verblieb ein Patent auf einen Windsurfer bzw. ein Rigg mit dem Gabelbaum.
Somit dürfen nach meinem Verständnis sowohl Newman Darby als auch James Drake als die Erfinder des Windsurfboards bezeichnet werden. Darf man der dokumentierten zeitlichen Abfolge der Entwicklungen Glauben schenken, so ist Darby der Initiator und Drake der Vollender. In diesem Sinne: „Hang Loose!“