Hasen- oder Kaninchenhalter werden bestätigen, dass Meister Lampe mitunter recht angriffslustig sein kann, wenn es gilt, die Rangordnung innerhalb der Gruppe herzustellen. Dass dies auch für einen leblosen, in eine Goldfolie verpackten Schokoladenhasen zutreffen kann, wie er zur Osterzeit in den Verkaufsregalen zu finden ist, erschließt sich dem Konsumenten einer solchen Leckerei nicht auf Anhieb. Deutlich wird dies erst, wenn man diese “Goldhasen” durch die markenrechtliche Brille betrachtet.
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Im vorliegenden Fall, in dem der Bundesgerichtshof (BGH) Mitte 2021 entschieden hat, ging es um einen von einer Godlfolie umhüllten Schokoladenhasen der Schweizer Firma Lindt & Sprüngli, der deshalb auch als “Goldhase” bezeichnet wird. Der Lindt-Goldhase wurde bereits im Jahr 1952 entwickelt und wird seitdem in Deutschland in goldener Folie angeboten. Im aktuellen Goldton wurde er seit dem Jahr 1994 vertrieben. Allein in Deutschland wurden in den letzten 30 Jahren mehr als 500 Millionen dieser Goldhasen verkauft, so dass der Lindt-Goldhase der mit Abstand meistverkaufte Osterhase Deutschlands ist. Der Marktanteil des goldigen Hasens betrug in Deutschland im Jahr 2017 über 40%.
Als nun ein anderer Hersteller in der Ostersaison 2018 einen Schokoladenhasen auf den Markt brachte, der gleichermaßen in einer goldene Folie verpackt war, zog Lindt & Sprüngli gegen den Hersteller vor Gericht. Die Klage wurde auf eine angebliche Farbmarke in Form des Goldtons der Folie des Lindt-Schokoladenhasens gestützt. Überdies sollte es sich bei dieser Farbmarke um eine Benutzungsmarke handeln. Beide Begriffe, nämlich Farbmarke und Benutzungsmarke, bedürfen hier zunächst einer näheren Erläuterung.
Bei der Farbmarke handelt es sich um eine im Markenrecht ausdrücklich vorgesehene Markenform, die deutlich seltener vorkommt als die dominierenden Markenformen Wortmarke, Bildmarke oder Wort-Bild-Marke. Konkret betrifft eine Farbmarke einen Farbton als solchen, also nicht etwa eine farbige andere Markenform, weshalb auch von einer abstrakten Farbmarke gesprochen wird. So wird bei der Anmeldung einer Farbmarke der spezielle Farbton sowohl durch ein Farbmuster als auch durch die dazugehörige Nummer des dargestellten Farbtons in einem international anerkannten Farbklassifikationssystem exakt definiert. Wie jedoch bereits eingangs festgestellt, ist Lindt & Sprüngli im vorliegenden Goldhasen-Fall nicht aus einer angemeldeten bzw. eingetragenen Farbmarke, sondern aus einer Farbmarke in Form einer Benutzungsmarke gegen den Konkurrenten zu Felde gezogen, was zu dem zweiten erklärungsbedürftigen Begriff der Benutzungsmarke führt.
Im Gegensatz zu einer “klassisch” angemeldeten und letztlich eingetragenen Marke, bedarf es bei einer Benutzungsmarke keiner Anmeldung bzw. keiner Eintragung in das Markenregister. Vielmehr regelt das deutsche Markengesetz ausdrücklich, dass ein Markenschutz auch “durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr [ensteht], soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat” (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Ab wann aber hat ein Zeichen durch Benutzung Verkehrsgeltung erworben? Laut Rechtsprechung soll dies der Fall sein, wenn ein “nicht unerheblicher Teil” der angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen als Herkunftshinweis zuordnet. Man spricht hier auch von dem sogenannten Zuordnungsgrad, allerdings ist damit die weitere Frage aufgeworfen, ab welchem Zuordnungsgrad von einem “nicht unerheblichen Teil” der angesprochenen Verkehrskreise ausgegangen werden kann. Der BGH hielt sich in der Vergangenheit bedeckt, was eine prozentuale Angabe anging, stellte vielmehr fest, dass dies nicht pauschal festgelegt werden könne, vielmehr seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Unabhängig von der Höhe des erforderlichen Zuordnungsgrades ist in jedem Fall der Inhaber der behaupteten Benutzungsmarke im Zugzwang, der entsprechende Zahlen zum Zuordnungsgrad vorlegen muss, die in der Regel durch eine Verkehrsbefragung ermittelt werden.
Auch im vorliegenden Goldhasen-Fall hat der Schweizer Chocolatier eine Verkehrsbefragung durchführen lassen, in deren Rahmen den Befragten eine Farbkarte mit einem Goldton im Zusammenhang mit Schokoladenhasen vorgelegt wurde. Nach dem Ergebnis der Befragung ist 91,7% aller Befragten die gezeigte Farbe Gold im Zusammenhang mit Schokoladenhasen bekannt (Bekanntheitsgrad). 75,8% aller Befragten waren der Auffassung, die Farbe weise im Zusammenhang mit Schokoladenhasen auf ein ganz bestimmtes Unternehmen hin (Kennzeichnungsgrad). 72,3% aller Befragten ordneten die gezeigte Goldfarbe im Zusammenhang mit Schokoladenhasen spontan Lindt & Sprüngli zu, während lediglich 2,3% aller Befragten andere Unternehmen genannt haben, woraus sich – unter Berücksichtigung des Abzuges von Fehlzuordnungen – ein Zuordnungsgrad zugunsten von Lindt & Sprüngli von überwältigenden 70% ergab. Angesichts dieses enormen Zuordnungsgrades kam der Bundesgerichtshof nicht um die Feststellung herum, dass hier ein “nicht unerheblicher Teil” der Verkehrskreise die notwendige Zuordnung vornimmt, die Goldfarbe des Lindt-Schokoladenhasens Verkehrsgeltung erworben hat und somit eine Benutzungsmarke entstanden ist. Auch hält der BGH fest, dass ein Zuordnungsgrad von über 50% für die Annahme einer Verkehrsgeltung innerhalb beteiligter Verkehrskreise genügt.
Da der BGH lediglich die Frage des Bestehens der Benutzungsmarke an dem Gold des Lindt-Schokoladenhasens festgestellt hat, wurde der Fall an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das nunmehr seinerseits zu klären hat, ob der Schokohase des Wettbewerbers tatsächlich die durch Benutzung erworbene Farbmarke von Lindt & Sprüngli verletzt.*
Eine letzte Anmerkung: Der Begriff der Benutzungsmarke wird häufig dahingehend fehlinterpretiert, dass man unter Vermeidung einer Markenanmeldung einfach die Benutzung der Marke aufnehmen könne, um problemlos zumindest einen Markenschutz in Form einer Benutzungsmarke zu erlangen. Aus der obigen Schilderung ist hoffentlich deutlich geworden, dass die Hürde zur Erzielung einer Verkehrsgeltung bzw. einer Benutzungsmarke sehr hoch sein kann, ganz zu schweigen von dem Aufwand und den Kosten für die genannte Verkehrsbefragung. Insofern stellt der “klassische” Weg einer Anmeldung bzw. Eintragung einer Marke in das Register in der Regel den bevorzugten Weg dar, insbesondere wenn angesichts der gewählten Markenform sowie der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine entgegenstehenden absoluten Schutzhindernisse zu befürchten sind.
* Nach Fertigstellung des Beitrags und vor dessen Veröffentlichung hat das Oberlandesgericht, an den der Fall vom BGH zurückverwiesen wurde, am 27.10.2022 entschieden, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen der durch Benutzung erworbenen Farbmarke von Lindt & Sprüngli und dem Goldton der in Goldfolie verpackten Schokohasen des Wettbewerbers besteht, der feststellen musste, dass selbst goldgefärbte Folie einen sehr hohen Preis haben kann (Link).