Patent sichert Sturmgewehrauftrag

Eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen den deutschen Waffenschmieden Heckler & Koch aus Baden-Württemberg und C.G. Haenel aus Thüringen mündete im Juli 2022 in einem Showdown vor dem OLG Düsseldorf. Dabei hatte der Fall zunächst – wie so oft – eine recht beschauliche Vorgeschichte, die bereits 2006 begann. So erfanden Mitarbeiter bei Heckler & Koch ein Waffenverschlußsytem, in dem eine spezielle Fluid-Durchtritts-Öffnung angeordnet sein soll. Diese Öffnung soll sicherstellen, dass die Waffe selbst nach dem Eindringen von Wasser nach kurzer Zeit wieder schussbereit ist, ohne dass eine Gefahr für den Waffenführer besteht. Eine überlebenswichtige Eigenschaft, insbesondere bei Waffen von Kampftauchern oder -schwimmern.

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Zu der genannten Erfindung wurde 2006 zunächst “nur” ein Gebrauchsmuster (DE 20 2006 007 925 U1) eingereicht. Allerdings schien man der Erfindung nach der Anmeldung des Gebrauchsmusters doch eine größere Bedeutung beizumessen. Folglich reichte man im Jahr 2007 eine internationale Patentanmeldung (WO 2007/131781 A1) unter Inanspruchnahme der Priorität aus dem deutschen Gebrauchsmuster ein, um den Zeitrang des Gebrauchsmusters auch für das Patent zu erhalten. Diese internationale Patentanmeldung zerfiel nach der internationalen Phase wie üblich in eine Vielzahl ausgewählter nationaler und regionaler Patentanmeldungen, insbesondere auch in eine Europäische Patentanmeldung, die 2010 zu einem Europäischen Patent (EP 2 018 508 B1) mit Wirkung in Deutschland reifte. Während das ursprüngliche Gebrauchsmuster aufgrund seiner maximal zehnjährigen Laufzeit bereits 2016 ablief, zahlte Heckler & Koch weiterhin die Jahresgebühren für das Europäische Patent mit Wirkung in Deutschland, um dieses aufrechtzuerhalten. Dies sollte sich bald bezahlt machen.

Die Bundeswehr hatte nämlich einen millionenschweren Großauftrag über 120.000 neue Sturmgewehre zu vergeben und startete ein entsprechendes Vergabeverfahren, in dem die Firmen Heckler & Koch und C.G. Haenel ihre Angebote abgaben. Zur großen Überraschung der Branche erhielt Ende 2020 jedoch nicht etwa der Platzhirsch Heckler & Koch, sondern zunächst dessen kleinerer Konkurrent C.G. Haenel aus Thüringen den Zuschlag.

In diesem Moment schlug die Stunde des Patents aus dem Hause Heckler & Koch. So reichte der Waffenhersteller aus Baden-Württemberg eine Verletzungsklage gegen den Konkurrenten aus Thüringen auf Grundlage des Patents ein. Die Verletzungsklage betraf ein halbautomatisches Modell der Fa. Haenel, wohl jedoch nicht das im Vergabeverfahren angebotene Sturmgewehr. Dennoch hatte das Verletzungsverfahren auch Auswirkungen auf das Vergabeverfahren, da das Bundeswehr-Beschaffungsamt seine Entscheidung aufgrund einer diesbezüglichen Beschwerde des Konkurrenten Heckler & Koch revidierte und die Thüringer Firma aus dem Vergabeverfahren ausschloss. In der Folge sollte der Zuschlag an Heckler & Koch gehen.

Die Thüringer Waffenschmiede wehrte sich mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht gegen das Patent von Heckler & Koch sowie mit einer Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeswehr-Beschaffungsamtes bis in die letzte Instanz vor dem OLG Düsseldorf. Das Gericht wollte jedoch nicht auf den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens warten. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf sei der Ausgang nämlich “vollkommen offen”. Dies müsse zu Lasten der Fa. Haenel gehen, die als Antragstellerin “eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Patents hätte belegen müssen”. Mit der letztinstanzlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts musste C.G. Haenel seine Hoffnungen auf den lukrativen und prestigeträchtigen Waffendeal mit der Bundeswehr endgültig beerdigen, worüber u. a. das Handelsblatt berichtete.

Drei wichtige Lehren kann man aus diesem Fall ziehen. Erstens: Man kann grundsätzlich bescheiden mit einem Gebrauchsmuster beginnen, ehe man sich für eine größere räumliche Ausbreitung seines Schutzrechts durch Patente entscheidet, sofern diese Entscheidung rechtzeitig innerhalb des Prioritätsjahres erfolgt. Zweitens: Bei der Entscheidung zwischen einem Gebrauchmuster und einem Patent sollte sich der Anmelder darüber im Klaren sein, für welchen Zeitraum eine Schutzwirkung benötigt wird, nämlich entweder für die maximal zehn Jahre des Gebrauchsmusters oder für die maximal zwanzig Jahre des Patents. Drittens: Auch in Vergabeverfahren sollte man sowohl die eigenen Schutzrechte als auch die Schutzrechte der Konkurrenz kennen. Die Kenntnis der eigenen Schutzrechte ist wichtig, um diese gegebenenfalls gegen Angebote des Konkurrenten in Stellung zu bringen. Die Kenntnis fremder Schutzrechte verhindert, dass Angebote eingereicht werden, die die Schutzrechte der Konkurrenz verletzen und somit zu einem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren führen könnten.