
Die Geschichte der Erfindung des Reißverschlusses beginnt nicht mit einem einzigen genialen Moment, sondern mit vielen Schritten über mehrere Jahrzehnte, begleitet von Patenten.
1851: Elias Howe und die erste Idee
Den ersten dokumentierten Anstoß gab der US-Erfinder Elias Howe, der der Nachwelt vor allem durch seine Nähmaschine bekannt ist. Im Jahr 1851 erhielt er ein US-Patent für einen „automatischen, ununterbrochenen Kleiderverschluss“. Dabei handelte es sich um einen mechanischen Verschluss, der Kleidungsstücke automatisch zusammenhalten sollte. Die Konstruktion bestand aus einer Reihe von Haken und Ösen, die durch ein System zusammengeführt wurden. Das Prinzip war noch weit entfernt vom modernen Schieber mit ineinandergreifenden Zähnen, doch es war ein wichtiger theoretischer Vorläufer.
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Howe sah darin offenbar kein wirtschaftliches Potenzial, zumal seine Nähmaschine großen Erfolg hatte und seine gesamte Energie beanspruchte. Der frühe Verschluss blieb deshalb ein Eintrag in den Patentakten, aber er markierte den Beginn einer Entwicklung, die noch über ein halbes Jahrhundert andauern sollte. Dass diese Idee überhaupt auf Papier festgehalten wurde, ist für die Geschichte des Reißverschlusses von besonderer Bedeutung, denn sie zeigt, dass schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein Bedürfnis nach schnelleren, komfortableren Verschlüssen vorhanden war.
1893: Whitcomb L. Judson und der Clasp Locker
Vier Jahrzehnte nach Howe trat Whitcomb L. Judson auf die Bühne. Sein Ziel war pragmatisch: Er wollte das aufwendige Schnüren von Schuhen vereinfachen. 1893 reichte er gleich mehrere Patentanmeldungen ein, die zu den Patenten US 504,037 und US 504,038 führten. Darin beschrieb er seinen sogenannten „Clasp Locker“, ein Verschlusssystem mit Schieber, das durch einfaches Ziehen geöffnet oder geschlossen werden konnte. Judson präsentierte seine Erfindung noch im selben Jahr auf der Weltausstellung in Chicago, was seine Ambitionen unterstrich.
Doch die Technik erwies sich als unzuverlässig. Der Verschluss sprang leicht auf, die Fertigung war aufwendig, und die Handhabung überzeugte das Publikum nicht. In einer Zeit, in der Kleiderknöpfe und Schnürsenkel alltäglich und bewährt waren, fand Judsons „Clasp Locker“ kaum Abnehmer. Dennoch hatte er etwas Entscheidendes geschaffen: das Grundprinzip des Schiebers, das später den modernen Reißverschluss prägen sollte. Judson gilt deshalb als Pionier, der die Theorie von Howe in eine handfeste Lösung überführte, auch wenn diese Lösung noch nicht alltagstauglich war.
1896: Judsons weitere Verbesserungen
Judson ließ sich von der Skepsis nicht entmutigen. In den folgenden Jahren feilte er weiter an seinem Konzept und reichte 1896 weitere Patente (US 557,207 und US 557,208) ein. Diese Verbesserungen zielten auf eine stabilere Verbindung und eine einfachere Bedienung ab. Judson experimentierte mit engeren Zahnabständen, robusteren Materialien und einem verbesserten Schieber, der die Reihen zuverlässiger zusammenführen sollte. Auch diese Varianten waren noch anfällig, doch sie brachten die Technik näher an eine Form, die später massentauglich werden konnte.
Seine Arbeit machte deutlich, dass ein Verschluss, der Knöpfe und Schnürsenkel ersetzen sollte, nicht nur funktional sein musste, sondern auch stabil und leicht zu fertigen. Judson schuf die technische Grundlage, die ein anderer Erfinder bald perfektionieren sollte. Ohne seine unermüdlichen Versuche und seine Serie von Patenten wäre die Erfindung des Reißverschlusses nicht möglich gewesen, denn er bereitete den Boden für die entscheidende Innovation.
1917: Gideon Sundback perfektioniert die Technik
Die eigentliche Revolution gelang dem schwedisch-amerikanischen Ingenieur Gideon Sundback. Sundback analysierte die Schwächen von Judsons System und entwickelte eine völlig neue Konstruktion. Sein Verschluss bestand nicht mehr aus Haken und Ösen, sondern aus dicht gesetzten Metallzähnen, die formschlüssig und hakellos ineinandergriffen. Der Schieber, den er entwickelte, hatte eine Y-förmige Führung, die die beiden Zahnreihen präzise zusammen- und auseinanderführte. Damit wurden die häufigen Probleme der Vorgänger gelöst: Die Zähne sprangen nicht mehr auf, die Bewegung war leichtgängig, und die Fertigung konnte industriell erfolgen.
Am 20. März 1917 erhielt Sundback ein entsprechendes US-Patent (US 1,219,881) für seinen „trennbaren Verschluss“. Dieses Patent markiert den entscheidenden Meilenstein in der Geschichte der Erfindung des Reißverschlusses, weil es erstmals ein wirklich funktionales, haltbares und zugleich massenproduzierbares System darstellte. Sundback gilt deshalb in der Fachliteratur als der Vater des modernen Reißverschlusses.
1923: Der Name Zipper setzt sich durch
Doch auch die beste Technik braucht eine Bühne, um populär zu werden. Diese Rolle übernahm das Unternehmen Goodrich. Es nutzte Sundbacks Verschluss für neue Gummistiefel und brachte sie 1923 als „Zipper Boots“ auf den Markt. Der Name griff den charakteristischen Laut des schnellen Öffnens und Schließens auf und verlieh dem Produkt einen modernen Klang. Das Wort „Zipper“ verbreitete sich rasant und wurde zum Synonym für den neuen Verschluss.
Damit war ein Marketing-Coup gelungen, der der Erfindung des Reißverschlusses den Durchbruch in der breiten Bevölkerung sicherte. In Deutschland setzte sich zur gleichen Zeit der Begriff „Reißverschluss“ durch, der die Funktion bildhaft beschreibt. Sprache und Technik gingen hier eine Symbiose ein, die dem Produkt nicht nur Funktionalität, sondern auch kulturelle Präsenz verlieh.
1930er: Vom Gimmick zum Standard
Nach den ersten Einsätzen in Stiefeln und Tabakbeuteln dauerte es bis in die 30er-Jahre, bis der Reißverschluss seinen Siegeszug in der Modewelt antrat. Besonders in der Kinderkleidung zeigte er schnell seine praktischen Vorteile. Ein spektakulärer Höhepunkt war 1937 der sogenannte „Battle of the Fly“, als Modemagazine und Designer den Reißverschluss bei Herrenhosen gegen die herkömmliche Knopfleiste in Stellung brachten. Der Reißverschluss wurde als moderner, hygienischer und praktischer gefeiert, was seine Verbreitung enorm beschleunigte. Unternehmen bauten ihre Produktion massiv aus, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Aus einem anfangs exotischen Gimmick war ein unverzichtbares Alltagsprodukt geworden.